Über das Weben von GEschichten

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„Gestern, verehrter Tathagata, spracht ihr über den Leib, dass er Geschichten spinnt und webt, wie sie uns im Traum begegnen. Ist somit die gesamte Realität nur Illusion?“, fragte ein älterer Mann Tathagata, dessen Frau mit fremden Zungen redete.

„Der Leib webt, Wahrnehmung mit Wahrnehmung verbindend“, antwortete Tathagata mit Bedacht auf diese Frage, weil er um dessen leidvolles Schicksal wusste. „Das ist die Art des Geschichtenerfinders, unseres Leibes, der bis auf den heutigen Tag, bis zu der bewussten Wahrnehmung des Ich bin, seine Geschichten webt, um das Ich bin im Dasein zu halten.

Somit ist nicht die Realität bloße Illusion, sondern die bewusste Wahrnehmung des Ich bin, dessen Erkenntnisse über sie, wie sie ihm zur Erscheinung gelangen. So, wie jedes Organ des Leibes seine speziellen Nährstoffe benötigt, damit es seine Gesundheit erhalten und die ihm übertragenen Aufgaben verrichten kann, bedarf das Organ Ich bin der Geschichten des Leibes. Sie schützen das Ich bin vor den Gefahren des Daseins, gewährleisten bis zu einem gewissen Grad sein Überleben und transferieren es auf diese Weise in das ungewisse Morgen.“

„Dann bemächtigt sich der Leib meiner Frau, in jenen düsteren Stunden, ihrer Zunge, und webt mit seinen Worten die Illusion einer glücklichen Zukunft für ihr ‘Ich bin’, damit der Pfad ihrer beider Dasein nicht vor der Zeit endet?“, unterbrach der, durch das Leiden seiner Frau lange vor seiner Zeit den Gebrechen des Alters verfallene Mann den Tathagata.

„Das, was ihr als Wesen eurer Frau bezeichnet, ihr Ich bin, gründet auf den ihr bewussten Wahrnehmungen ihres vergangenen Daseins. Welche Erfahrungen ihr in der Erkenntnis zur Erscheinung gelangen, darüber entscheidet allein der Leib. Er verknüpft das Wesen eurer Frau mit den alltäglichen Begebenheiten, indem er diese mit sich selbst verknüpft und sein Tun darauf ausrichtet, wobei eure Frau, ihr Ich bin, nur deshalb Mitschuld an dem ihre Kräfte aufzehrenden Leiden trägt, weil ihr Wesen nun einmal ist, wie es ist.“

„So ist sie verloren“, murmelte der Mann leise und versank in Resignation.

„Wie zwei miteinander im Streit lebende Brüder, die, obschon sie den Pfad ihres Daseins gemeinsam beschreiten, ihm getrennt voneinander folgen, jeder entlang seines Wegrandes, so geht eure Frau, entzweit von ihrem Leib, allein ihren Pfad durch das Dasein. Doch wie zwei verfeindete Brüder sich aussöhnen können, indem sie ihre widerstreitenden Meinungen in einer umfassenden Einheit auflösen, und fortan in der Mitte des Pfades, im Einklang mit sich selbst und dem Bruder, den Weg gemeinsam fortsetzen, so kann auch das Leiden eurer Frau Linderung oder auch Heilung erfahren, wenn Leib und Ich bin zu ihrer ursprünglichen Einheit, dem gemeinsamen Rhythmus ihres Seins zurückfinden.“


„Verehrter Tathagata“, rief ein Schüler in großer Aufregung begriffen, „habt ihr schon von dem Mann gehört, dem heute Nacht die Erleuchtung über das Wesen des Kosmos zuteilwurde?“

„Bewahrt eure Ruhe“, sagte Tathagata milde lächelnd. „Für das Ich bin ist das Licht mit der ihm zur Erscheinung gelangenden bewussten Wahrnehmung ebenso verknüpft wie das Dunkel mit den ihm unbewussten Gründen für sein Tun, sofern ihm dieser Aspekt seines Leibes überhaupt als Erkenntnis zuteilwird. Dennoch schwingt in den bewussten Wahrnehmungen des Ich bin die Ahnung dessen mit, worüber allein der Leib Wissen besitzt, und dieses Gefühl ist der Same für die Pflanze des kosmischen oder göttlichen Wissens und Wirkens. Wahre Erleuchtete wissen, dass sie die Blütenpracht dieser Pflanze ihrem Leib und dem, die Spezies Homo sapiens umfassenden, Seinsfeld verdanken. Das Wesen des Kosmos“, belehrte Tathagata den Schüler, beschattete die Augen und spähte in die Weiten des von der aufgehenden Sonne rot gefärbten Himmels, „ist fern, und die Erleuchtung des Ich bin umfasst nur wenig mehr als ein einzelnes Sandkorn am Meeresrand.“


Gesundheit und Glück

Tathagata

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